100 Jahre Agrarzentrum Limburgerhof - page 23

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er Limburgerhof folgtemit
seinenForschungsschwer-
punktendenVorgabender
nationalsozialistischenAgrarpolitik.
Seit derMachtübernahme 1933und
verstärkt seit demerstenVierjahres-
plan1936 rief dasNS-Regime zur
„Erzeugungsschlacht“ auf. Ziel war
größtmögliche „Autarkie“, auch in
der Produktion vonNahrungsmitteln.
Deutschland sollte sie selbst produzieren,
umDevisen zu sparen und um die Be-
völkerungwährenddes geplantenErobe-
rungskrieges versorgen zu können – so
die Theorie. Faktisch blieb es in vielen
Bereichen bei Appellen; die Rüstung
hatte Vorrang vor der Landwirtschaft, die
selbst gesetzten Autarkiezielewaren
unerreichbar. MineralischeDünger wurden
jedoch von der Umsatzsteuer befreit,
sodass ihrePreise deutlich sanken. Das
überzeugte viele Landwirtewohl endgültig,
Stickstoff-Einzeldünger, Nitrophoska und
andereDüngemittel einzusetzen. Allein
zwischen 1932/33 und 1937/38 verdop-
pelte sich inDeutschland derMineral-
düngerverbrauch. Der Nutzen stand nicht
mehr in Frage, vor allembei Stickstoff.
ImWirtschaftsjahr 1938/39 erreichte der
Verbrauch denHöchstwert von 718.000
Tonnen.
Die LandwirtschaftlicheAbteilung, zu der
neben der Versuchsstation auch dieGuts-
verwaltungdes Limburgerhofs sowie 21
Beratungsstellen gehörten, erlebte einen
enormenAufschwung undbeschäftigte
1939 rund 400Mitarbeiter. Auf der Ver-
suchsstationwaren neben zehnAkade-
mikern für diewissenschaftliche Arbeit
28 Angestellte und knapp 120 Arbeiter
in denGewächshäusern und auf den
Feldern tätig. Die Forschungenwurden
staatlich gefördert, die Ergebnisse vom
„Forschungsdienst“, der nationalsozia-
listischen Institution für die Agrarwissen-
schaften, veröffentlicht. Wie der I.G.-
Farben-Konzern insgesamt, war auch der
Limburgerhof in das nationalsozialistische
System eingebunden. In seiner Schrift
zum 25-jährigenBestehen reihte sich die
Versuchsstation 1939 ausdrücklich
„in die großeArbeitsfront der deutschen
Landbauwissenschaft“ ein. Sie sah es
als ihreAufgabe, „die für unser Volk so
lebensnotwendigeArbeit des deutschen
Bauernstandes zu fördern“.
Mit Beginn des ZweitenWeltkriegs
am 1. September 1939 drohten in der
Produktion ähnliche Konfliktsituationen
wie im ErstenWeltkrieg, denn Stickstoff
wurde nicht nur für Düngemittel, sondern
auch für Sprengstoff benötigt.
ImDienst derKriegswirtschaft –
Erträge steigern für dieAutarkie
Aber auch die Lebensmittelversorgung
war demNS-Regimewichtig. Carl Krauch,
Führungskraft bei der I.G. Farben und
Funktionär bei der Umsetzungdes national-
sozialistischenVierjahresplans, kündigte
1940 an, die deutsche Landwirtschaft
weiterhinmit Stickstoff, „diesemwichtigsten
Pflanzennährstoff, zu versorgen“. Rund
150Mitarbeiter setzten auf der Versuchs-
station ihreArbeit fort – zunächst ohne
größere Einschränkungen. Als Ersatz für
60Arbeiter, die zumKriegsdienst ein-
gezogenwurden, sprangen zunächst
Frauen ein. Zwischen 1940 und 1944
wurdenmindestens 33Kriegsgefangene
und zivile Zwangsarbeiter eingesetzt.
Neben Polenwaren es auchUkrainer
und russische Kriegsgefangene.
Da die Versuchsstation unmittelbaren
Nutzen für die deutsche Landwirtschaft
versprach, konnte sie ihre Forschungen
weiterführen. Allerdings veränderte sich
der Fokus: DieArbeit war ausschließlich
anwendungsorientiert und richtete sich
noch stärker als zuvor auf dieSteigerung
vonErtrag undQualität der Ernte;
Grundlagenforschung zuMikronähr-
stoffen oder bodenkundlichen Fragen
traten in denHintergrund.
GegenEndedesKriegeswuchs dieSor-
ge umdie Zukunft.Waswürde nach dem
Kriegsende aus der Versuchsstationwer-
den?Würde sie ein neues Aufgabenfeld
finden oder als Teil der I.G. Farben ge-
schlossenwerden? ImMärz 1945 über-
nahmen zunächst amerikanische Truppen
dasWerk in Ludwigshafen, bevor im Juli
1945 französische Soldaten eintrafen.
Nochwar offen, obdieBesatzer dieWerke
schwächen oder sie fördernwürden.
Auf dem Limburgerhof kursierten bereits
Gerüchte über eine bevorstehende
Schließung der Versuchsstation oder
aber dieUmwandlung in ein unabhän-
giges landwirtschaftliches Institut.
Werbeplakate für Nitrophoska der späten
30er Jahre. Die hier gezeigtenMotive richteten
sich an „Heimstättensiedler“, also Kleingärtner
Vonder Düngung zumPflanzenschutz |
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